Was Fans und Betreiber von den Neubau-Plänen am Mannheimer Strandbad halten
Das Mannheimer Strandbad ist Kult, vor allem das Café Oro am Campingplatz. Das Gebäude ist aber marode und soll durch einen Neubau ersetzt werden. Warum viele befürchten, dass dabei Flair verloren geht
Mannheimer Morgen 19.08.2024 – Thorsten Langscheid
Mannheim. „Das sieht super aus, wie wenn’s aus den 1920er Jahren stammen würde!“ Obwohl er gut geschützt im Schatten auf der Uferpromenade am Café Oro sitzt, muss Architekt Mark Podkalicki die Augen zusammenkneifen, um bei dem strahlenden Sonnenschein das Bild des Siegerentwurfs für das neue Gebäude am Strandbad-West auf dem Handy zu erkennen. Bei einem Planerwettbewerb der Stadt Mannheim, der das Areal im Neckarauer Rheinbogen gehört, hatte sich, wie berichtet, das Büro Brückner & Brückner aus Tirschenreuth (Bayern) durchgesetzt. Wann gebaut wird, und ob der Siegerentwurf überhaupt umgesetzt werden kann, ist derzeit allerdings unklar.
Das Strandbad entstand vor rund 100 Jahren, nachdem das Areal im Neckarauer Rheinbogen der Stadt von dem Industriellen Carl Reiß vermacht worden war, um den Menschen Erholung in der Natur zu ermöglichen. So wurde das Naturschutzgebiet Reißinsel und ab 1927 das Rheinstrandbad mit seinen beiden charakteristischen, auf Stelzen gebauten Gaststätten-Gebäuden angelegt.
Flair rund ums Café Oro bei vielen Besuchern besonders beliebt
Architekt Podkalicki kommt seit mehr als 20 Jahren ans Strandbad und gehört zur „Oro“-Fraktion der Mannheimer Lido-Fans. „Das Lokal hat seinen Charme“, pflichtet ihm sein Kollege Norbert Kloska bei. „Es wäre schade, wenn man das Flair hier nicht erhalten könnte.“ Tatsächlich: Für viele der zahlreichen Gäste auf der Terrasse ist das rustikale Café eine Art Sommer-Wohnzimmer, manche haben sogar ihren Wohnwagen gleich nebenan auf dem Campingplatz, nicht wenige haben hier ihr halbes Leben verbracht.
Dass das alte Gebäude am Strandbad-West seine besten Zeiten lange hinter sich hat, ist kein Geheimnis. „Wir sprechen seit zwölf Jahren darüber, dass sich hier etwas ändern muss“, sagt Ralf Schlinck, Vorsitzender des Vereins Campingfreunde Mannheim-Strandbad, der den Campingplatz betreibt. Umkleiden, Toiletten, Waschräume sind veraltet und sanierungsbedürftig, die Betonstruktur des Gebäudes ist marode – kurz, so Schlinck: „Es ist schon lange klar, dass ein Neubau her muss.“ Jetzt sei man einen Schritt weiter. Den Siegerentwurf aus dem Planer-Wettbewerb findet Schlinck jedenfalls „richtig toll“.
Siegerentwurf: So könnte der geplante Neubau aussehen. © Stadt Mannheim
Geplant sind im oberen, hochwassergeschützten Geschoss Sanitär- und Aufenthaltsräume für den Campingplatz sowie eine Küche für den Gastronomiebetrieb, der aber wie gehabt auf der Promenade als reines Terrassenlokal geführt werden soll – mit der Möglichkeit, unter dem Gebäude zumindest teilweise im Schatten zu sitzen.
Der geplante Neubau knüpft damit an die beiden alten Strandbadgebäude an. Der Altbau am Strandbad-Ost war bereits Ende der 1990er Jahre marode, wurde nach der Jahrtausendwende abgerissen. 2010 eröffneten Stadt und GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft den dortigen Neubau. Das ursprünglich vorgesehene „Luxus-Lido“-Konzept ist indessen nicht wie geplant aufgegangen, auch fehlt dem vom Büro Blocher entworfenen Gebäude in den Augen mancher Strandbad-Fans das Flair. Zwischenzeitlich wurde zudem die Uferpromenade mit Sitzgelegenheiten und Grillplätzen neu angelegt.
„Das darf hier nicht passieren“, sagen Christine und Wolfgang Reinemuth, die ebenfalls beim Café Oro im Schatten sitzen und ihr Mittagessen genießen. „Der Entwurf sieht schick aus“, meint Christine Reinemuth und winkt ab. Sie hat das Bild kürzlich in dieser Zeitung gesehen und braucht deswegen gar nicht auf dem Reporter-Handy zu gucken. „Hoffentlich wird das dann nicht so ein Schicki-Micki-Schuppen“, sagt sie. „Hier ist es doch idyllisch“, fügt Wolfgang Reinemuth an: „Am besten, man lässt alles so, wie es ist. Das gefällt uns am besten.“ Im Gespräch mit dem „MM“ geraten Christine und Wolfgang regelrecht ins Schwärmen und berichten aus alten Zeiten am „Mannemer Lido“: „In den 70er und 80er Jahren war’s hier draußen am besten“, sagen sie.
Warum nicht sanieren und die alte Bausubstanz erhalten?
Dass man möglicherweise gar nicht unbedingt abreißen und neu bauen müsste, bringt Architekt Podkalicki ins Spiel: „Wir wollen doch, wo es nur geht, die Substanz erhalten und nicht zusätzlich Beton erzeugen und verbauen“, gibt er zu bedenken. Ralf Schlinck, der in der Jury des Architektenwettbewerbs saß, verweist noch auf den drittplatzierten Entwurf, eine Stahlkonstruktion mit modularen Einbauten des Mannheimer Architekten Simon Fischer. Der sieht die Möglichkeit vor, je nach Bedarf Gebäudeteile hinzuzufügen oder wegzunehmen. „Das wäre deutlich günstiger zu errichten“, sagt Schlinck mit Blick auf die derzeit völlig ungeklärte Finanzierung des erhofften Neubaus.
Wenig Klarheit herrscht auch für Ahmet Metaij, den Oro-Betreiber. Er bewirtschaftet seinen Gastro-Betrieb mit acht festangestellten Mitarbeitern und einer Reihe von Aushilfen. Da die Küche im nicht hochwassersicheren Erdgeschoss liegt, muss er immer, wenn die Pegel steigen, alles leerräumen. „Im Juni hatten wir deshalb drei Wochen geschlossen“, berichtet er. Wenn das Wasser wieder weg ist, wird renoviert, dann räumen er und seine Mitarbeiter alle Geräte wieder in die Küche hinein.
Küche und Kühlung im oberen Geschoss hochwassergeschützt
Küche und Kühlgeräte im Obergeschoss zu haben, das fände er schon alleine deshalb gut. Ob die Pachtbedingungen in einem Neubau für ihn tragbar wären? „Darüber haben noch nicht mit der Stadt gesprochen“, sagt er. Ob und wann am Strandbad-West neu gebaut wird, darüber hat auch er derzeit keine Informationen. Den Siegerentwurf hat der Oro-Chef bisher ebenfalls noch nicht gesehen.
Doch statt die Augen zusammen zu kneifen und umständlich gegen die Sonne auf dem Handy des Reporters zu gucken, gibt er rasch seine Telefonnummer an. „Schick’s mir doch einfach per Whatsapp“, sagt er und entschuldigt sich. Schließlich kann er seine Gäste auf der schattigen Promenade nicht warten lassen.