Ex-VGH-Vize klagt gegen Badeverbot am Mannheimer Strandbad

p 0004Mannheimer Morgen 19.05.2021

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein ehemaliger Stadtrat die Stadt verklagt. Noch dazu ein früherer der SPD, die ja traditionell der Stadtspitze eher nicht mit konfrontativer Schärfe begegnet. Das tut auch Jörg Schmidt nicht, obwohl er aus der Partei schon vor Jahren ausgetreten ist. Dass er gegen die von seinem Ex-Genossen Peter Kurz geführte Verwaltung juristisch zu Felde zieht, hat einen einfachen Grund: Schmidt ist diese Sache wichtig. Er will wieder dürfen, was er schon als Kind und bis zum 1978 verhängten Verbot sehr gern tat – im Strandbad im Rhein schwimmen. Nicht aktuell, die Badesaison steht ja auch unter starkem Corona-Vorbehalt. Es geht hier vielmehr um eine Grundsatzfrage.

In rechtlichen Dingen kennt sich Schmidt ziemlich gut aus. Noch sehr viel mehr Zeit als im Mannheimer Gemeinderat (da saß er von 2004 bis 2009) verbrachte er wenige Kilometer weiter am baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof. In dem arbeitete er rund 35 Jahre, die letzten sechs vor seiner Pensionierung 2001 als Vizepräsident.

 

Kaum noch Schadstoffe

Nun muss Schmidt indes erleben, dass es in den erstinstanzlichen Niederungen schleppender verläuft als von ihm gewohnt. Das Karlsruher Verwaltungsgericht hat nach mehr als zwei Jahren seine Klage aus rein formalen Gründen abgewiesen: Er habe die falsche Form gewählt. „Im Ergebnis halte ich das zwar für vertretbar“, sagt Schmidt. Er hätte sich aber früher einen entsprechenden Hinweis des Gerichts gewünscht, dann hätte er die Klageart direkt verändern können. Das hat er nun nachgeholt. Um Zeit zu sparen, will er keine mündliche Verhandlung. „Ich habe keine Lust, vor den jungen Kollegen aufzutreten“, begründet der Jurist seinen Verzicht. „Im Übrigen ist der Fall nicht mehr erörterungswürdig. Alles, was gesagt werden könnte, ist geschrieben.“

In der Tat stehen die Positionen beider Seiten sehr deutlich in den Akten. Die Stadt begründete ihr Badeverbot 1978 mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen im Rhein. 2016 und 2017 ergaben dann Laboranalysen, die der Förderverein Mannheimer Strandbad in Auftrag gegeben hatte, eine deutlich verbesserte Wasserqualität. Baden wäre demnach dort nicht mehr schädlich.

Anträge auf eine Aufhebung des Verbots wies die Verwaltung jedoch zurück. Sie argumentiert zum einen, weil es etwa durch Industrieunfälle immer wieder zu Schadstoff-Belastungen kommen könne, sei im Rhein nicht von einer durchgängig verlässlichen Wasserqualität auszugehen. Zum anderen wird auf gefährliche Strömungen verwiesen, die es an jener Stelle gebe, sowie auf den starken Schiffsverkehr. Als Beleg werden auch Stellungnahmen von DLRG- und Feuerwehr-Experten angeführt, die sich ebenfalls für die Beibehaltung des Badeverbots aussprechen.

Recht auf Selbstgefährdung

Diese Argumente lässt Schmidt nicht gelten: „In den Jahrzehnten des Betriebs des Strandbads mit Millionen Schwimmern hatte sich niemals ein durch Strömung oder Schifffahrtsbetrieb verursachter Unfall ergeben.“ Wieso sich daran etwas geändert haben sollte, sei nicht ersichtlich. Auch der Verweis auf theoretisch mögliche Schadstoffunfälle überzeuge nicht. Sollte sich tatsächlich einer ereignen, könne man mit einem vorübergehenden Verbot reagieren. Es gehe auch nicht darum, an jener Stelle einen organisierten Badebetrieb einzurichten. Den Menschen solle lediglich erlaubt werden, dort individuell im Rhein zu schwimmen. Der frühere Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofs erinnert an das juristisch anerkannte Recht zur Selbstgefährdung: Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Staates, „den Einzelnen an einer ausschließlich ihn selbst gefährdenden Unternehmung zu hindern“.

Wann mit einer Entscheidung über die Klage zu rechnen ist, kann ein Sprecher des Verwaltungsgerichts noch nicht abschätzen. Wird Schmidt bei einer Abweisung die zweite Instanz – also seine Ex-Arbeitsstätte in der Schubertstraße – einschalten? Dazu habe er keine Lust, meint er. Zumal die richtige Formulierung des entsprechenden Rechtsmittels recht kompliziert sei.

Sein Verhältnis zum obersten Stadtvertreter jedenfalls hat durch die Klage nach Schmidts Eindruck nicht gelitten. Mit Peter Kurz sei er nach wie vor in engem Kontakt. Ihm gegenüber habe der Oberbürgermeister „auch ein gewisses Verständnis artikuliert“. Offiziell müsse Kurz da aber nun mal die Linie seiner Verwaltung vertreten.

Bis zu 40 000 Badegäste

Das Gebiet rund um das Strandbad wurde der Mannheimer Bevölkerung vom Politiker und Unternehmer Carl Reiß (1843-1914) vermacht.

1927 wurde dann das Rheinstrandbad eröffnet.

Am 21. August 1932 sei mit rund 40 000 Besuchern ein Rekord erreicht worden, schreibt Stadtrat Wolfgang Taubert (Mittelstand für Mannheim) auf den Internet-Seiten des 1997 gegründeten Fördervereins MASTRA.

1978 wurde das Baden wegen Schadstoffen im Rhein verboten. sma

Steffen Mack © 

Steffen Mack Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen